Über das Projekt

Solidaritätsgeschichten will Erzählungen von Menschen in Umbruchsituationen sicht- und hörbar machen, die in der bundesdeutschen Öffentlichkeit bisher nur wenig oder keine Beachtung fanden. In den letzten Jahren hat hier zwar ein Umschwung stattgefunden,  solche Perspektiven in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. Dazu gehören der Blick auf die 1990er-Jahre als „Baseballschlägerjahre“, die Erinnerung an die verheerenden Folgen der Deindustrialisierung des Ostens in der Nachwendezeit, aber auch an die Erfahrungen von ehemaligen Vertragsarbeiter*innen. Doch der Umschwung hin zu einer Erinnerungskultur der Vielstimmigkeit ist noch in vollem Gange. So fehlen etwa noch die Geschichten aus dem langen Sommer der „Willkommenskultur“ im Jahr 2015, als sich unzählige Menschen für Geflüchtete engagierten. Das Webportal will all diese Geschichten sichtbar machen. Es will Teil dieses Umschwungs der Erinnerungskultur sein.

Solidaritätsgeschichten versammelt biografische Erzählungen aus ganz verschiedenen Zeiträumen seit 1989/1990, die aber durch ein gemeinsames Leitmotiv vereint sind: Es geht um Geschichten von Solidarität, was sie ermöglicht, aber auch, was sie verhindert. Und es geht um Zeiten von großen gesellschaftlichen Umbrüchen.

Solidaritätsgeschichten interessiert sich aber nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch dafür, was diese Erinnerungen mit dem Heute zu tun haben. Wie prägen diese Erzählungen über vergangene Umbrüche den heutigen Blick auf Gesellschaft und Politik, auf Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt? Wie beeinflussen sie die Wahrnehmung politischer und anderer gesellschaftlicher Institutionen in der Gegenwart? Das Webportal will dazu anregen, aus der Vergangenheit zu lernen für solidarisches Handeln im Heute. Es will zu Solidarität mit Anderen motivieren, es will aber auch die Grenzen und Widersprüche solidarischen Handelns ansprechen: Inwieweit übernimmt die Zivilgesellschaft hier zentrale staatliche Aufgaben, für die es keine oder nur sehr prekäre Strukturen und Finanzierungen gibt? Wer ist materiell überhaupt in der Lage, sich zu engagieren? Ist die solidarische Hilfe wirklich immer uneigennützig oder schwingen doch manchmal Dankbarkeitserwartungen mit?

Solidaritätsgeschichten beruht auf Interviews, die im Rahmen von Projekten am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) geführt worden sind. Dem Webportal geht es aber nicht um die wissenschaftliche Auswertung (die findet andernorts statt), sondern es richtet sich an eine breitere Öffentlichkeit. Wir wenden uns an ein Publikum, das sich für die Geschichten von Solidarität und ihrem Ausbleiben interessiert. Die Interviews wurden gekürzt und im Sinne besserer Lesbarkeit redaktionell bearbeitet - in Absprache mit den Interviewten.

Solidaritätsgeschichten versteht sich als offener Prozess. Unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen schildern Solidaritätserfahrungen in verschiedenen örtlichen und zeitlichen Kontexten. Sukzessive entsteht so ein facettenreiches gesellschaftliches Erzählwerk, das vielfältigen subjektiven Perspektiven auf kollektive Erfahrungen Raum gibt. In Zukunft werden in dieser unabgeschlossenen Collage von Solidaritätsgeschichten auch neuere gesellschaftliche Entwicklungen berücksichtigt.

Solidaritätsgeschichten ist ein Wissenstransfer-Projekt im Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt.


Das Logo von solidaritaetsgeschichten.de wurde von Bureau Est entworfen, die technische Umsetzung besorgte in2code.