Im Konstanzer Paradies trifft sich die Welt bei Kaffee und Kuchen

2015 gründeten Angehörige des Konstanzer Aktionsbündnisses Abschiebestopp – unter ihnen auch die Erzählerin – das Café Mondial. Die Kunst der Vielfalt. Sein Anliegen: Begegnungen zwischen Geflüchteten und Konstanzer*innen mittels kultureller Veranstaltungen und Feste ermöglichen. Diese organisierten Ehrenamtliche in der Anfangszeit an verschiedenen Orten in Konstanz – mit großem Erfolg. Dank der Unterstützung vonseiten der Stadt konnte sich die Initiative als Begegnungsangebot verstetigen: Seit 2016 betreibt der Verein ein eigenes Café im Konstanzer Stadtteil Paradies.

Ort und Datum des Interviews: Konstanz, 23.9.2021

Los ging es damit, dass Geflüchtete und Konstanzer*innen sich zum Feiern treffen

Damals 2015, haben wir es gut gefunden, dass wir sagen „Wir schaffen das“, dass auch die Bundesregierung gesagt hat: "Wir schaffen das“. Dann haben wir uns überlegt, dass es gut wäre, diese Willkommenskultur mit Leben zu füllen und beschlossen, einen Treffpunkt zu schaffen, wo deutsche Konstanzer mit Geflüchteten zusammenkommen und sich kennenlernen können. Wir wollten Vorurteile abbauen, weil wir gesehen haben, dass zu dieser Zeit auch die Gegenbewegung da war, die AfD zum Beispiel und andere rechte Gruppen, die gesagt haben: "Diese Flüchtlinge sind alles muslimische Vergewaltiger." Uns war es wichtig, dass wir etwas dagegen steuern. So haben wir uns zusammengesetzt, überlegt und gesagt, wir gründen jetzt ein Café Mondial, ein Welt-Kaffee.

Café Mondial sucht Räumlichkeiten

Ehrenamtliche Renovierungsarbeiten für ein eigenes Café (Bild: Café Mondial)

Dann haben wir uns gesagt, dass wir einen festen Treffpunkt brauchen, wo sich die Leute auch regelmäßig treffen können und waren dann auf der Suche. Das ist in Konstanz nicht ganz einfach, weil alles teuer ist. Es gibt keine Räumlichkeiten, die geeignet wären, und zufällig ist mir eingefallen, dass dieses Sozialgebäude im Palmenhauspark, das der Stadt gehört, leer steht. Mit dieser Anfrage haben wir uns dann an die Stadt gewandt und die Bereitschaft war sofort da. Wir sagten, dass wir alles in Eigenarbeit machen, alles nachhaltig und Materialien wieder verwenden, denn auch dieser Gedanke war uns wichtig. Und so haben wir dann ein halbes Jahr mit Geflüchteten, und auch mit Wohnungslosen, die uns geholfen haben, hier renoviert und hergerichtet und dann ein schönes Einweihungsfest organisiert. Über die Jahre hatten wir dann regelmäßig Mittwoch-, Samstag- und Sonntagnachmittag geöffnet.

Nicht nur Café, sondern auch ein Arbeitsort mehrerer Geflüchteten-Initiativen

Das Café Mondial hat dann auch andere Initiativen angezogen und mit initiiert. Wir sind eine Studentenstadt und es gab etliche Jurastudenten und -studentinnen, die mitmachen wollten. Sie haben die Refugee Law Clinic ins Leben gerufen. Das ist auch sehr wichtig, weil Flüchtlinge kein Geld für Rechtsanwälte haben. Aus meiner Erfahrung heraus, sagte ich mir, dass das ein riesiger Gewinn für die Geflüchteten ist, wenn sie einen Ort haben, wo sie hingehen können, wo sie Vertrauen haben können, nichts bezahlen müssen, und mal jemand auf ihre Papiere guckt. Dass all das entstanden ist, hat mich einfach sehr gefreut und deswegen bin ich heute immer noch dabei, weil es einfach sinnvoll ist und die Flüchtlinge sehr viel zurückgegeben haben. Sie haben hier mit gekocht wie die Weltmeister. Auf unserer Homepage kann man sehen, dass wir hier auch Tanzveranstaltungen haben, eine Roma-Band spielt hier, Roma-Brass-Balkanbeat. Wir haben hier syrische, griechische Tanzabende gehabt. Wir haben öfters Themenabende veranstaltet. Wir hatten einen Afghanistan-Tag, an dem afghanische Flüchtlinge gekocht und aus ihrer Heimat erzählt haben.

Raus aus der Isolation

Kleidertauschparty (Bild: Café Mondial)

Wir haben das Café Mondial bekannt gemacht, in den Flüchtlingsunterkünften, haben Flyer verteilt und Leute eingeladen. Und dann hatten wir hier viele Besucher. Wir haben zwei Tischkicker, da war immer viel los. Ja, es kamen auch Familien mit Kindern und auch viele alleinstehende junge Männer. Aus meiner Erfahrung als Sozialarbeiterin weiß ich, dass die Flüchtlinge oft gar nicht wissen wohin. Sie haben keinen Treffpunkt. Sie haben kein Geld, um irgendwo am kulturellen Leben teilzunehmen und sie haben keine Freunde. Und ich fand es einfach genial, als ich gesehen habe, dass die Geflüchteten jetzt einfach herkommen und Kontakte knüpfen können. Sie haben Unterstützung erfahren, erlebt, dass sie anerkannt, dass sie überhaupt mal gesehen werden, und sie hatten das Gefühl, es ist jemand wohlwollend ihnen gegenüber und sie können auch mit ihren Problemen kommen. Damit meine ich auch die Kollegen von der Refugee Law Clinic oder von 83 integriert.

Küfa oder viele Köche verfeinern den Brei

Küfa (Bild: Café Mondial)

Wir haben sehr viele junge Leute, auch Studierende, von der Café Mondial-Hochschulgruppe und sind an der Uni bekannt. Jeden Samstag haben wir jetzt Küfa - Küche für alle. Ich finde es eine enorme Herausforderung. Da wird das Essen vom Foodsharing verkocht. Und hier ist es sehr voll, weil wir ja keine Preise haben. Wir haben das Prinzip Pay as much as you can/want, und da kommen natürlich auch Leute, die wenig Geld haben, aus der Umgebung, aus prekären Verhältnissen. Sie sind sehr froh, wenn sie für 50 Cent einen Kuchen essen können und einen Kaffee oder wenn sie gar nichts haben, sich einfach dazu setzen können. Dann haben wir hier natürlich auch Anwohner. Wir haben einen Spielplatz, und da kommen die Mütter mit den Kindern, und wenn hier Waffeln gebacken werden, dann riecht man das bis draußen. Und dann holen die sich hier Kaffee, Kuchen und sind auch hier, unterhalten sich mit den Geflüchteten, wenn es sich ergibt. Sie haben hier auch schon zusammen Fußball draußen gespielt mit den Kindern, da gibt es keine Berührungsängste. Und wir haben ja auch gesagt, wir wollen für dieses Quartier für diesen Stadtteil eine Bereicherung sein, für die Mütter auf dem Spielplatz, wie für die, die hier Boule spielen, die Leute von Solidarische Landwirtschaft oder von Amnesty, für all die vielen verschiedenen Gruppen, die hier zuhause sind​. Wenn hier Küfa ist, dann trifft man sich hier ja.

Eine Anwohnerinitiative protestiert und der Fastnachtsverein findet einen neuen Ort zum Proben

In der Anfangszeit gab es hier auch Protest, es waren Anwohner da von einer Anwohnerinitiative, die sagten: Ja und dann die Geflüchteten. Und dann haben wir hier keine Ruhe und Lärm und so.“ Und da mussten wir wirklich auch kämpfen. Aber die Stadt war gut an unserer Seite und hat gesagt: "Nee, das machen wir jetzt." Und wir haben die Anwohner eingeladen. Eine Dame kam schließlich irgendwann auch, als wir ein Fest hatten. Und dann hat sie sich jetzt, glaube ich, damit abgefunden. Es sind schon etliche, ja auch Konstanzer Bürger, Bürgerinnen, die auch neugierig sind. Es war hier auch schon ein Fastnachtsverein, die angefragt haben. Weil eine Tanzkneipe zugemacht hatte, hätten sie keinen Raum mehr, wo sie sich treffen können: „Ja, jetzt haben wir keinen Raum an Fastnacht. Können wir uns im Café Mondial treffen?“ „Sicher, gerne jederzeit“, habe ich gesagt. Und jetzt ist so ein alteingesessener Konstanzer Narrenverein auch hier, und das ist gut. Wir wollten das hier auch möglichst breit, also nicht nicht nur die jungen Leute von der Uni, sondern möglichst auch die, die skeptisch sind und sagen: „Mal gucken und so“. Wir wollten die auch sehr gern erreichen, aber wahrscheinlich haben wir die am wenigsten erreicht, aber doch ein paar, auf jeden Fall. 

Endlich kein gesellschaftliches Randthema mehr

In meiner Berufszeit war ich sehr, ich sage jetzt mal, alleine mit dem Problem. Es gab zwar schon diesen Arbeitskreis Asyl, und ich war immer sehr dankbar, wenn Leute von der Kirche in meinem Büro vorbeikamen. Aber diese einzelnen Schicksale, die man mitgekriegt hat, die Leute waren einfach hilflos gewesen und auch isoliert in dieser Gesellschaft, weil es zu dieser Zeit kein öffentliches Thema war. Erst 2015 wurde es ein öffentliches Thema: „Wir schaffen das“. Also das hat mich sofort hochgerissen und ich habe mir gesagt: „Ja, jetzt endlich“. Es gab einen ganz positiven Energieschub, jetzt sind die Leute aufgewacht, die Flüchtlinge werden endlich mal gesehen und positiv gesehen. Und ich bin damals in Rente gegangen und bin diesem Thema so verpflichtet, also innerlich verpflichtet, dieses Wissen, das ich habe, auch rechtlich und so, das möchte ich weiter verwenden. Es ist ein Geben und Nehmen. Ich habe sehr viel zurückgekriegt. Mich hat es einfach unglaublich gefreut und beflügelt, diese positive Grundstimmung damals, nicht dieses Resignative, immer nur Abschiebung, wenn immer nur Negatives über Flüchtlinge berichtet wird, sondern jetzt passiert etwas ganz Positives, wenn man die jungen Leute sieht, wie die da drauf zugehen. Also ich werde damit weitermachen. Ich kann mich nicht daheim hinsetzen und nichts tun, das geht gar nicht! Und ich hoffe, dass es das Projekt noch lange gibt. Natürlich muss man immer damit rechnen, dass sich in diesem Team etwas verändert, dass es nicht immer so bleiben kann. Es gibt eine Gruppendynamik, es gibt Auseinandersetzungen, das gibt es alles, aber das macht es auch sehr lebendig. Und wer nicht dazu passt, der geht einfach und die, die passen, bleiben.

Internetlink: https://cafe-mondial.org