Unser Verein hat sich im Juni 2010 gegründet. Wir sind im Stadtgebiet Berchen/Öhmdwiesen, und das war Teil des bundesweiten Programms Soziale Stadt, ein Bund-Länder-Programm zur Förderung sozial benachteiligter Wohngebiete. Es gibt hier eine sehr heterogene Bevölkerung, einerseits sehr viele ältere Einheimische, wirklich auch „Ur-Konschtanzer“, andererseits ein hoher Anteil von Leuten mit Migrationshintergrund. Es gibt auch viele Familien, oft in sozial eher etwas schwierigeren Situationen. […] Das Wohngebiet ist eigentlich wirklich hübsch. Es liegt am Stadtrand von Konstanz im Grünen, ist super gut angebunden, es gibt Busse, die Bahn – eine gute Infrastruktur. Es ist wirklich angenehm, dort zu wohnen. Aber die Gegend hat einen wahnsinnig schlechten Ruf.
Miteinander in Konstanz e.V. schafft Räume für vielfältige Begegnungen im Stadtteil Berchen/Öhmdwiesen
Ein Konstanzer Stadtteil wird Fördergebiet des Bundesprogramms Soziale Stadt
Ein Verein für einen interkulturellen Nachbarschaftsgarten entsteht
Und dann kam dieses Soziale-Stadt-Programm und die Stadt hat gesagt, wir müssen im Stadtteil Berchen/Öhmdwiesen etwas für den Zusammenhalt der Bevölkerung schaffen. Eine der Ideen und Aktionen, die der Quartiersmanager hatte, war ein interkultureller Nachbarschaftsgarten. […] Im März 2010 hat sich dann eine kleine Gruppe von zehn Leuten gefunden, die begeistert waren. Er hat uns dann das Grundstück gezeigt und hat schon damals zu uns gesagt: „Leute, ich bin irgendwann weg, dieses Soziale-Stadt-Programm ist in zwei, drei Jahren zu Ende. Ihr müsst einen Verein gründen, auch wegen dem Pachtvertrag.“ […] Dann haben wir den Verein gegründet und ich habe mich ganz mutig als zweite Vorsitzende aufstellen lassen. Es war ein kleiner Garten und wir haben uns ganz optimistisch Nachbarschaftsgärten Bodensee genannt, denn die Idee war, dass wir rund um den Bodensee noch mehr solcher interkulturellen Nachbarschaftsgärten schaffen. Wir waren sehr gemischt, hatten anfangs Menschen aus fünf, sechs verschiedenen Nationen dabei. Bis heute wechselt das immer wieder.
Ja, und so ging es die ersten zwei Jahre: Wir haben gewerkelt, gemacht, gegärtnert, alles Mögliche aufgebaut. Dann war dieses Soziale-Stadt-Programm zu Ende. Und dieses Quartierszentrum, dieser Nachbarschaftstreff, der ein paar Jahre im Rahmen des Förderprogramms gelaufen war, der hätte dann quasi wieder dichtmachen müssen. Da ist der Quartiersmanager an uns herangetreten: „Hey Leute, es wäre doch ein Jammer, wenn das hier wieder eingeht, können wir nicht mit euch einen Förderverein für das Quartierszentrum gründen?“ Wir haben dann gesagt: „Hhm, wir können doch nicht noch einen zweiten Verein gründen, wir haben doch schon einen“. Und in unserer Satzung stand so ganz viel mit nachbarschaftlich und altmodische Ausdrücke wie Völkerverständigung und Toleranz und so. Also eigentlich mußten wir uns nur einen anderen Namen geben und haben uns dann in „Miteinander in Konstanz“ umbenannt. Seitdem verantworten wir auch dieses Quartierszentrum, dann seit 2016 den zweiten Nachbarschaftsgarten, und seit 2017 die Sozialbetreuung in der Anschlussunterkunft für Geflüchtete, die AU Zergle. Und dieser zweite Nachbarschaftsgarten, der liegt eben direkt gegenüber der Anschlussunterkunft. […] Ja, das heißt, wir haben diese Säulen: das Quartierszentrum, das inzwischen das Hauptding ist, und dann die zwei Gärten und die Anschlussunterbringung. [..] Angefangen haben wir mit einem Garten mit einem Jahresbudget von etwa 500 Euro, mit etwa zehn oder elf Leuten im ersten Jahr. Inzwischen haben wir so knapp 120 Mitglieder, vier sozialversicherungspflichtige Angestellte bei uns und noch eine Reinigungskraft. Und den größten Teil unserer Gelder kriegen wir tatsächlich als Zuschuss von der Stadt.
Immer mittwochs Mittagstisch aus aller Welt
Unser Ausgangspunkt war es zu versuchen, die vielen Menschen, die bei uns schon sehr lange leben, aber immer noch nicht wirklich Anschluss gefunden haben, zu unterstützen, gerade auch wenn sie älter werden, dann brauchen sie oft Unterstützung. Der Mann geht in der Regel raus, geht arbeiten. Dadurch lernt er dann Deutsch. Und die Frau, die hat die Kinder, sie sitzt zu Hause, sie kocht, sie macht, sie putzt, sie wäscht, sie hat jede Menge zu tun. […] Und dann bleibt die Sprache auf der Strecke, und wenn man dann die Leute ein bisschen fördern kann, ein bisschen rausholt, dann ist das enorm, wie die teilweise aufblühen. Und eines unserer Erfolgsangebote, sage ich mal, ist der sogenannte internationale Mittagstisch. Der hat coronabedingt natürlich lange brachgelegen. Am Mittwoch gibt es ein Mittagessen. Da bekommt man für fünf Euro fünfzig ein volles Mittagessen von Köchen aus aller Welt, die dort kochen für etwa 20 Personen. Ich glaube, wir haben schon 16 verschiedene Länder gehabt. […] Man isst da in schöner Runde. Und da ist vom Schulkind über den Berufstätigen bis zur über 90-jährigen Rentnerin, die sich freut, mal rauszukommen, jeder dabei, teilweise Leute, die Vereinsmitglieder sind, aber gar nicht unbedingt. Und die kommen dann miteinander ins Gespräch: „Ah was ist denn da drin? Das schmeckt so lecker und kann ich das Rezept bekommen?“, oder so.
Und die Köchinnen, die sprechen teilweise kein Deutsch, also die können „Hallo“ und „Danke“ sagen. Und dann wird sich mit unserer Sozialarbeiterin mit Händen und Füßen verständigt. Wenn sie dann die Köchin mal kurz aus der Küche rausholt, ja geradezu rausschleift, und sagt: „Schaut mal her, das ist *, sie hat heute für euch gekocht, sie kommt aus dem Sudan.“, dann stehen da zehn oder 15 Leute und klatschen und sagen: „Toll gemacht“. Dann strahlt sie übers ganze Gesicht, da muss man nicht die Sprache können.Und es gibt tatsächlich einige, die sich auf diesem Wege sehr weiterentwickelt haben. Neulich sagte eine, die früher viel beim Mittagstisch gekocht hat: „Ich bin so dankbar, ihr habt mir so geholfen. Das ist so toll, dass es euch gibt und es ist so schön zu sehen und dass ihr so aktiv seid.“ Ja, so etwas tut gut, muss ich sagen, dass man wirklich Leuten nachhaltig weitergeholfen hat. Oder eine andere hat gesagt: „Jetzt lebe ich seit 20 Jahren in Deutschland. Jetzt habe ich mein erstes Geld verdient.“ Die Köchinnen bekommen eine kleine Aufwandsentschädigung und sie bekommen die Essenseinkäufe bezahlt. […] Und unsere Sozialarbeiterin sagt: „Du, ehrlich gesagt, die 60 oder 70 Euro Aufwandsentschädigung, die die Leute bekommen, das ist eine Menge für sie und die stehen mir wirklich Schlange, sie fragen immer nach.“ Und wenn sie dann einmal im Monat kochen, dann haben sie 60, 70 Euro. Und gerade die Frauen haben das dann wirklich mal für sich. Die müssen es nicht unbedingt immer gleich dem Mann geben oder so, sondern können es mal für sich behalten, das ist enorm. […] Das sind so diese kleinen Geschichten, die eben schön sind.
Neue Aufgaben seit 2015
Als dann die Flüchtlingswelle kam, hat sich natürlich unser Spektrum sehr verändert. Das ist schon etwas ganz anderes gewesen. Anfangs gab es enormen Bedarf, aber die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung insgesamt war hier in Konstanz sehr groß, die Geflüchteten wurden, denke ich, mit sehr offenen Armen aufgenommen. Anfangs gab es sehr viel Unterstützung, es haben sich Helferkreise ohne Ende gebildet. Und ja, wir waren vielleicht am Anfang gar nicht so aktiv. Dann kam 2015 tatsächlich die Stadt auf uns zu, obwohl wir als Trägerverein gerade mal fünf Jahre alt waren und erst drei Jahre vorher das Quartierszentrum übernommen hatten, und hat gesagt: „Wir bauen eine Anschlussunterkunft im Zergle. Die soll dahin kommen und ihr seid in der Nähe. Wie es wäre, wenn ihr die Sozialbetreuung dort übernehmt?“
Und dann haben wir ziemlich geschluckt, weil das schon ein dicker Brocken war und haben uns auch sehr geehrt gefühlt. Wir hatten eine Sozialpädagogin, die sich in einem dieser Flüchtlingskreise sehr engagiert hat und auch sonst schon viel gemacht hatte. Und die haben wir dann dafür gewonnen. Sie hat Anfang 2017 dort die Sozialarbeit aufgenommen. Leider hat dann im Mai 2018 das Ministerium die Vorgaben geändert. […] Der Landkreis hat gewisse Vorgaben, was in Anschlussunterkünften so gemacht wird an sozialer Betreuung. Aber die Stadt Konstanz sagte: „Wir möchten auf jeden Fall mehr machen als der Landkreis anbietet. Und wir zahlen das auch, das ist überhaupt kein Thema, das machen wir völlig selbstverständlich.“ Und deswegen haben wir dort diese relativ üppige Ausstattung bekommen, mit einer 50 Prozent-Stelle für eine Sozialarbeiterin, die dann die Leute rundum betreut hat, wirklich alles gemacht hat, ja. Sie hat begrüßt, mit ihnen die Möbel zusammengesucht, beim Einzug geholfen, die Leute an die Hand genommen, zu den verschiedenen Behörden mitgeschleppt, die Kinder in die Sportvereine und in die Klassen gebracht usw., also unwahrscheinlich viel Arbeit gemacht.
In der Anschlussunterkunft Mülltrennung spielerisch lernen
In der AU Zergle ist immer wieder Bewohnerwechsel. Dort leben etwa 70, 80 Menschen. Und es ist auch nicht als Dauerwohnung gedacht. Das ist nur eine Notlösung, weil man auf dem freien Wohnungsmarkt in Konstanz nichts findet. Nach 20 Monaten dürfen die Menschen aus diesen Gemeinschaftsunterkünften raus und sich im Prinzip auf dem freien Wohnungsmarkt etwas suchen […] Aber Tatsache ist, dass viele nichts finden. Und deswegen hatte man überhaupt diese Anschlussunterbringung gebaut. Und da ist leider immer wieder relativ starker Wechsel. Unsere Sozialarbeiterin durfte [aufgrund der Corona-Einschränkungen] im Frühjahr ja praktisch nichts machen und jetzt, als sie wieder hingekommen ist, stellte sie fest, dass die eine Familie zum Beispiel, mit der sie sehr viel Kontakt hatte, jetzt ausgezogen, nicht mehr da ist. Aufgrund der vielen Wechsel ist es auch für sie dann nicht einfach, an die Leute ran zu kommen, Vertrauen zu schaffen. Sie konzentriert sich schon auch auf die Frauen und auf die Kinder. An die Kinder kommt man relativ unproblematisch ran.
Jetzt macht sie zum Beispiel ein Müllprojekt, weil wir festgestellt haben, Mülltrennung und Vermüllung sind ein großes Problem. Und wir versuchen, an die Kinder ranzukommen und ihnen auf eine spielerische, lustige Art und Weise Mülltrennung beizubringen. Wir haben jetzt im Frühjahr Eierkartons und Obstsäcke gesammelt und braune und grüne Glasflaschen. Und sie organisiert so kleine Wettbewerbe mit den Kindern: Wer kann am schnellsten etwas sortieren? Und was gehört wohin? Und sie verbuddeln zum Beispiel etwas in einem kleinen Eckchen im Nachbarschaftsgarten: einen Joghurtbecher, eine Bananenschale. Dann buddeln sie nach zwei oder vier Wochen die Sachen wieder aus und gucken, was noch da ist, wieviel vom Joghurtbecher, wieviel von der Bananenschale, wieviel vom Apfelbutzen. So kommt man auf spielerische Weise über die Kinder an die Eltern ran, und die Sozialarbeiterin hat auch mit den Müttern verschiedenste Sachen gemacht.
Gemeinsam mit Geflüchteten gärtnern
Es gab eine Flüchtlingsinitiative, die sich Anfang 2015 gegründet hat und GemeinsamGarten hieß. Die hatten sich zusammengetan, ich sage mal eine Hand voll jüngerer Leute, die gesagt haben: „Mensch, wir möchten auch Geflüchtete unterstützen. Wir möchten irgendwas mit denen machen auf Augenhöhe. […]“ Und sie sind auf das gemeinsame Gärtnern gekommen. Da braucht man nicht viel Sprache und das geht auch auf Augenhöhe, also nicht so im Sinne von: Ich Deutscher zeige dir jetzt, wie es geht. Und da muss man auch nicht so viel Regeln beachten, das ist ein lockeres Zusammenkommen. Sie haben sich einen Namen, ein schönes Logo und alles gegeben, wie gesagt GemeinsamGarten, und waren dann auf der Suche, wo sie ihre Projektidee umsetzen können, und sind auf uns gestoßen. Das war genau zu dem Zeitpunkt als wir unseren Garten eröffnet haben.
Damals gab es eine Veranstaltung, zu der wir Interessierte eingeladen haben. Und da haben sie sich an uns gewandt und gefragt: „Können wir mitmachen bei euch?“ Also, es hat perfekt gepasst, und sie haben von den 20 Beeten etwa fünf, sechs Stück übernommen und das dann gemeinsam mit Geflüchteten beackert, bearbeitet. Und die waren anfangs so aktiv, haben sich fast jeden Sonntag im Garten getroffen, also im Sommer, und gemeinsame Sache gemacht, Austausch und so weiter […] Das Ding war dann nur, es sind ein paar von denen, die sehr aktiv waren, weggezogen. Auch haben sich einige beruflich verändert. Die waren alle so Mitte 20, bis Mitte, Ende 30. Und da ist halt viel in Bewegung. Sie sind weggezogen oder haben einen Job angefangen, hatten nicht mehr die Zeit und nach so eineinhalb, zwei Jahren war auch die Begeisterung vom Anfang ein bisschen weg. Die Leute sind nicht mehr so regelmäßig hingekommen, auch die Geflüchteten, die das anfangs sehr dankbar aufgenommen haben. Da hat sich ja auch viel verändert, am Anfang brauchten die ganz viel Hilfe, ganz viel Unterstützung. Aber irgendwann sprachen sie dann soweit Deutsch, haben vielleicht einen Job und irgendwo anders eine Wohnung gefunden, weiter weg und so. […] Zum Beispiel einer hatte dann eine Ausbildung angefangen und gesagt: „Ja, es tut mir leid, ich muss mich darauf konzentrieren. Ich muss mich auf diese Ausbildung konzentrieren, damit ich die schaffe. Und dann kann ich hier leider nicht mehr so viel im Garten sein.“ Und die haben sich dann relativ, sage ich mal, aufgerieben und waren alle einfach wirklich erschöpft. Sie haben dann gefragt, ob sie nicht mit uns eine Kooperation eingehen können, […] weil sie relativ viele Spenden bekommen haben, die sie aber als Initiative nicht annehmen können, weil sie eine Vereinsstruktur brauchen. Das haben wir dann gerne gemacht. Und vor etwa zwei Jahren haben sie sich praktisch aufgelöst. […] Und wir wollten diesen Namen, denn wir müssen diese Spenden zweckgebunden verwenden. […] Deswegen haben wir den Namen von dem Garten in in dieser Form behalten, er heißt Nachbarschaftsgarten GemeinsamGarten im Mühlenweg.
Vom Garten zur Nähwerkstatt
Unser Nähprojekt nennt sich Butterfly. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass unsere Handarbeitslehrerin aus Syrien stammt und anfangs fast kein Deutsch konnte, aber ein bisschen Englisch. Und die Leute von GemeinsamGarten haben dieses Nähprojekt mit der Handarbeitslehrerin zusammen initiiert. Sie war tatsächlich Ausbilderin in Syrien gewesen, und über GemeinsamGarten ist sie mit uns in Kontakt gekommen, hat auch bei uns im Quartier gewohnt. […] Ja, sie macht seit jetzt knapp fünf Jahren dieses Nähprojekt. Und es ist toll. Da sind Frauen aus fünf, sechs verschiedenen Nationen zusammen und unsere Sozialpädagogin macht es auch immer so, dass es zwischendrin eine Pause gibt und dass dann Deutsch geredet wird, gerade auch die deutschen Ausdrücke wie absteppen oder eine Sowieso-Naht. Darüber hat unsere Lehrerin natürlich ihr Deutsch enorm verbessert und hat dann vor zwei Jahren noch einen Anfängerkurs für Leute angefangen, die noch nicht wirklich Ahnung haben.
Ihre Hoffnung ist, dass sie darüber vielleicht mal an der Volkshochschule oder so Kurse geben kann. Und die anderen sind so eine relativ eingeschworene Gemeinschaft inzwischen und sind mit großer Begeisterung dabei. Letztes Frühjahr haben sie ganz eifrig Masken genäht – als man noch die Stoffmasken, die selbstgenähten, tragen durfte – größtenteils natürlich in Heimarbeit.[…] Wir hatten noch einen anderen gelernten Schneider, der stammte aus Afghanistan. Er hat zwei Jahre lang bei uns so ein Nähangebot gemacht, wo die Leute hinkommen konnten mit kaputter Hose usw. oder zu eng, zu weit, zu kurz, und er hat es dann genäht, repariert und so. Das hat er ungefähr zwei Jahre lang gemacht. Und dann hat er aber zum Glück einen Ausbildungsplatz bekommen und keine Zeit mehr gehabt.
Das hat ja so Spaß gemacht, da komme ich wieder
Wir haben auch ein Repair-Cafe, das ich vor fünf, sechs Jahren angezettelt hatte. Der eine Ehrenamtliche hat da am Empfang gesessen, wo quasi die Daten der Leute aufgenommen werden, der Name, was sie mitbringen – einen kaputten Toaster zum Beispiel –, und was daran nicht mehr funktioniert. Die Leute müssen dann eine Einverständniserklärung unterschreiben, eine Haftungsbegrenzung. Er hat am Empfang mitgeholfen und dann ganz begeistert gesagt: „Das hat soviel Spaß gemacht, das ist ja so toll, da komme ich wieder.“ Insbesondere im Repair-Cafe bei den Elektro-Reparaturen haben wir praktisch nur Männer.
Trotz Corona ein durchgehendes Beratungsangebot garantieren
Was durchgehend auch in der Corona-Zeit stattgefunden hat, waren die Beratungsangebote, also soziale und berufliche Beratung. Gerade letzten Sommer gab es eine wahnsinnige Nachfrage, weil im Frühjahr die ganzen Behörden zugemacht hatten. Das war schwierig für jemanden, der nicht so gut Deutsch spricht am Telefon, und für viele ist auch online oft schwierig. Die meisten haben zwar ein Handy, aber oft braucht man dann ja doch einen Computerzugang. Dann muss man schon einigermaßen fit sein. Erstens braucht man die technische Ausrüstung, zweitens muss man sich ein bisschen damit auskennen, Telefonieren in einer anderen Sprache ist nicht einfach. Am Telefon fehlt ja auch die ganze Mimik, Gestik etc. Und man versteht den anderen viel schlechter. […] und dann ist es vielleicht noch jemand mit starkem Akzent, also Konstanzer Dialekt oder Schwäbisch oder so. Das ist seit dieser Zeit enorm schwierig und es gibt wahnsinnig viel Beratungsbedarf.
Die Leute kamen mit Wohngeldanträgen und Kindergeldanträgen, diese ganzen Sachen, und irgendwelche Mahnungen, die sie nicht verstanden haben. Man kriegt eben einen Brief nach dem anderen. Und jeder hat so seine Probleme, gerade die Geflüchteten. Der eine oder andere, ist da resilienter, der steckt das weg. Das sind so Stehaufmännchen, die haben Schlimmes durchgemacht, aber jetzt geht es wieder. Aber viele sind natürlich so nachhaltig traumatisiert, dass sie da nie wieder rauskommen und wie gesagt, die haben ihr Land ja nicht freiwillig verlassen. […] Und dann lasse ich noch alles zu Hause zurück und habe vielleicht noch Angehörige dort, und jeden Tag Angst, ob die noch leben und so. Ich denke, die psychische Belastung ist sehr groß. Viele sagen ja: „Was wollen die Geflüchteten denn? Die haben hier eine gescheite Wohnung. Die haben genug Geld, die haben Essen und Trinken. Sollen sie sich doch nicht so anstellen. Wir machen doch alles für die.“ Aber so einfach ist das nicht. Ich meine, man sieht ja auch Leute, die hier aufwachsen, die auch psychische Probleme haben. Und ich denke, dass die Probleme dann nur noch größer, noch stärker werden.
Wir versuchen jetzt zum Beispiel auf unserer Homepage in einfacher Sprache Sachen zu beschreiben, weil dieses ganze Behördendeutsch so wahnsinnig schwierig ist. Und wir haben jetzt auch ein kleines Projekt am Laufen. Wir wollen kleine Erklärfilme machen, im Sinne von: Was ist das Quartierszentrum? Was machen wir dort? Also, du kannst zu uns kommen, wenn du Beratung brauchst, wenn du irgendeinen Antrag hast oder wenn du Hilfe beim Lebenslauf brauchst, und das in verschiedenen Sprachen. Wir haben zwei Studenten von der HTWG dafür angeheuert, die schon ein bisschen Filmerfahrung haben. Wir haben vor so kurze knappe Filmchen auf Deutsch, Englisch, Französisch, Farsi und Arabisch zu machen, auch im Garten und so, und das dann auf unsere Homepage zu stellen. Und wir hoffen, dass wir damit die Leute erreichen.
Im Viertel sind nicht alle begeistert
Wir hatten vor drei, vier Jahren bei der AU-Zergle ein kleines Gartenfest im Sommer. Ein Vereinsmitglied war gerade dabei Bierbänke aufzubauen. Da kommt einer seiner Nachbarn, aus Polen, vorbei und sagt zu ihm: „Was machst du denn da bei den Asylanten?“ – „Ja, wir machen hier ein Sommerfest. Wieso? Ich helfe da mit.“ – „Wieso gibst du dich mit denen da ab?“ Sagt der Ehrenamtliche: „Also, entschuldige mal, du bist doch selber nicht deutsch, du bist selber Ausländer, ja.“ „Ja, aber, aber ich bin doch kein Asylant! Die sollen doch bleiben, wo sie sind!“ Der Nachbar sagte dann noch: „Ja mit dir will ich nichts mehr zu tun haben“ Und der Ehrenamtliche: „Ja danke, ich habe auch keinen Bedarf mehr.“ Also jetzt nicht, dass die befreundet waren und so, aber die haben sich halt ab und zu gegrüßt, gelegentlich geredet. Er wohnt im Haus nebenan. Ich wollte damit nur sagen, dass es eben nicht nur die, ich sag mal, die Deutschen sind, die kein Verständnis und Vorurteile haben und so, sondern das geht quer durch alle Bevölkerungsschichten.
Und ich hatte einmal zwei pakistanische Mitarbeiterinnen. Die eine – sie trug Kopftuch – ist dann nach Australien gezogen und hat mir den ganzen Stapel voll Kopftücher hier gelassen, weil sie nicht alles mitnehmen konnte: „Kannst du für die Flüchtlingsfrauen und so hinlegen“, weil wir so ein Tauschregal haben, wo man einerseits Bücher, aber auch Kleidung und so ein bisschen tauschen kann. Dann überreichte ich den Stapel mit den Kopftüchern unserer Sozialarbeiterin: „Ja, guck mal da. Die sind von unserer pakistanischen Mitarbeiterin.“ Und sie sagt: „Oh, das darf ich aber den Syrerinnen nicht sagen, dass das von der Pakistanerin kommt. Das würden sie nicht annehmen, weil sie sind ja was Besseres“. Und diese Vorurteile, Vorbehalte und so gehen durch alle Bevölkerungsschichten und man muss nicht unbedingt meinen, dass sie untereinander zusammenhalten, das ist einfach nicht so.
Ja, dafür lohnt es sich
Also, ich muss sagen, ich habe schon auch die eine oder andere Träne vergossen. Es gab auch einiges an Streit. Es gab auch ein paar unschöne Zeiten. Und ich war auch schon so weit, dass ich gesagt habe: „Ich schmeiße alles hin. Ich mag nicht mehr, ich habe keine Lust mehr.“ Aber inzwischen hat sich bei uns der Vorstand doch so gefestigt, wir sind jetzt seit ein paar Jahren zusammen und machen das gut. Ich denke, wenn jetzt zum Beispiel das erste Mal wieder Mittagessen ist und die Leute wieder zum Mittagstisch kommen und begeistert sind. Das sind so Highlights, das sind eigentlich die kleinen Momente, in denen ich denke: „Ja, dafür lohnt es sich.“
Internetlink: www.miteinander-konstanz.de