Mit den Wahlbeobachtungen der Kommunalwahl im Frühjahr 1989 [1] ging es los, dass ich gedacht habe: Mensch, hier ist irgendwas anders. Dann habe ich mich mit mehreren von der Opposition zusammengetan und wir haben im Juni 1989 eine kleine Gruppe, einen Diskussionskreis gegründet, in dem wir uns über die Situation der Arbeiter in der DDR verständigen wollten. Und das ist vielleicht ganz interessant, bei dieser Bürgerbewegung und diesen neuen Gruppen, da gab es eigentlich überhaupt keine Gruppen, die sich dezidiert mit der Situation von Arbeitern beschäftigt haben. Es gab die Vereinigte Linke, das ist richtig. Aber jemand, der sich wirklich nur überlegt, wie müsste eine neue Interessenvertretung aussehen, wie müssten diese sogenannten Arbeitsbeziehungen im Betrieb oder in der Gesellschaft aussehen, das gab es nicht. Und wir saßen da, weil es eben auch in diesem Friedrichsfelder Friedenskreis [2] bisher solche Diskussionen nicht gab. Und wir dachten, darüber müssten wir uns mal verständigen. Dann haben wir Lenins „Gewerkschaftsfrage“ gelesen, kritisch, natürlich.
Dann kam der Sommer, Urlaubszeit. Und dann kam der September, also der Herbst. Und dass jetzt irgendwas in dieser Gesellschaft passiert, das war klar. Der Sommer war ja ganz stark von dieser Ausreisewelle geprägt, und das hat einen ja auch persönlich betroffen. Freunde von meiner Tochter und von der Kollegin der Sohn, da wurde darüber geredet, der ist jetzt rüber, über Budapest und so. Es war bewegend. Und dann die Reaktion dieser Regierung, die sich dafür nicht interessierte: „Wir weinen denen keine Träne nach“. Es begann etwas, dass man sich plötzlich öffentlich kritisch darüber verständigte. Nicht mehr nur in der Familie. Im September, Oktober begannen alle Leute irgendwie ganz anders rum zulaufen, der Blick war anders. Und es war spannend, dass es auch in verschiedenen Künstlerkreisen, bei den bildenden Künstlern, bei den Musikern, Unterhaltungskünstlern, so viele Treffen gab. Und die haben sich über Glasnost und Perestroika, also Öffnung und Transparenz, in ihrem Verband unterhalten, haben kritisch mit den Chefs geredet und haben auch schon Absetzungen von Funktionären gefordert. Und ich war dabei ein bisschen auch treibende Kraft, ich hatte Freundinnen und Freunde in diesen Verbänden und bin dann mit rein in die Verbandstreffen und habe manchmal auch Flugblätter mitgeschrieben oder Forderungen mitformuliert. In dieser Stimmung, dass sich in der Gesellschaft was ändern muss, auch in diesen Institutionen, da waren die Künstler sehr weit vorn.