Aber wenn der Verein keine Heimstätte hat, dann ist der Verein nicht lange existent. Wenn wir nur irgendwo in 'ne Gaststätte gehen einmal im Monat, dann gibt es den in kürzester Zeit nicht mehr. Und vor allen Dingen wollte ich nicht, dass diese ganze Geschichte nicht mehr existent ist. Das wollte ich schon erhalten wissen. Und da ich ja damals auch immer noch im Gesamtbetriebsrat war, nach der Schließung, hab' ich noch gesagt, wisst ihr was, vielleicht gibt's ja ein Objekt, bei dem man über ein Museum nachdenken könnte. Es ging um die ehemalige Poliklinik hier auf dem Gelände, ein komplettes Ärztehaus, die zu dem Zeitpunkt ziemlich marode war. Die war zu dem Zeitpunkt noch nicht verkauft.
Aber bevor wir die Entscheidung getroffen haben, das Gebäude zu kaufen, habe ich mich an's Telefon gesetzt und vier, fünf Institutionen und Menschen angerufen, die uns mit Großspenden unterstützt hatten. Ich sagte ihnen, so, wir haben noch so und so viel Geld übrig, es kommt nicht in Frage, dass das an unsere Kollegen verteilt wird, dafür ist es nicht gedacht. Wir wollen uns da nich dran bereichern. Entweder können wir's stückchenweise an ähnlich gelagerte Fälle übergeben. Oder wir könnten hier ein Gebäude erwerben, das groß genug ist, da vielleicht ein Museum errichten zu können. Und dort würde natürlich auch das Jahr 93 seinen Platz finden. Wie findet ihr das?
Die größten Spender waren die Wismut Kollegen. Die hatten uns recht viel Spendengeld gebracht, 12.567 D-Mark. Und dann hatten wir hier einen Pfarrer, der uns das vom Stahlwerk Rheinhausen überreicht hatte, da war auch ein langer Arbeitskampf, der hat uns auch 10.000 D-Mark gebracht. Und dann waren noch ein paar Beträge zwischen 4 und 5000. Und die habe ich alle angerufen. Und die waren alle der Meinung, dass, wenn wir das mit dem Haus hinkriegen und das was für die nachfolgende Generation ist, dann wissen sie wenigstens, was für Schweinereien getrieben wurden. Und dann haben wir sukzessive dieses Gebäude hier selber, das meiste in Eigenleistung, instandgebracht.
Ich weiß, damals sagte man mir, du bist verrückt, du kannst das doch niemals halten, spätestens in zwei, drei Jahren seid ihr pleite. Und viele von der CDU haben mir zugeflüstert, wenn Ihr hier oben die zwei Räume zu der Schließung von Bischofferode rausnehmt, dann fließt auch Geld für das Bergbau-Museum. Denen hab ich aber gesagt: die zwei Räume? Die sind für mich das Wichtigste! Ich sagte, dass ist Erinnerungskultur. Ihr sollt an Eure Schweinereien jahrzehntelang erinnert werden! Deswegen haben wir noch nie von oben her öffentliche Gelder gekriegt und mussten sehen, wie wir selber klarkommen. Gerade hab ich gelesen, dass Point Alpha hier in Thüringen und das Grenzland-Museum im Eichsfeld von Bayern und Thüringen insgesamt eine Förderung von 12,5 Millionen bekommen! Das Grenzland-Museum Eichsfeld kriegt jedes Jahr die Millionen überwiesen, wir haben noch nicht mal 1000 Euro gekriegt. Ich bettel aber auch keinen an, so weit erniedrige ich mich nicht. Aber wir sind bis jetzt auch hingekommen, wir haben die untere Etage an zwei, drei Firmen vermietet, und am Jahresende haben wir immer plus minus 'ne schwarze Null, aber mehr auch nicht.
Was ich zu gern gehabt hätte, wäre, wenn die Grube noch so existieren würde, wie in Sondershausen oder Bleicherode, also dass wir ein Besucherbergwerk hätten, dass wir einfahren können, einen Stollen besuchen oder sowas. Aber das geht ja nicht, wir wussten, dass die Grube geflutet wird. Und da haben wir im Keller alles aufgebaut, was mit der Arbeit unter Tage zu tun hat.
Und wo das fertig war, konnten wir auch die traurige Geschichte nicht vernachlässigen: zum Museumkonzept, wenn's rund ist, gehört auch das, was nach der Schließung passiert ist. Und dann haben wir erst vor ein paar Jahren den hinteren Bereich gemacht, da haben wir aufgezeigt, was unter der GVV gelaufen ist: Verwahrung, Flutung und all diese Dinge. Auch die Bilder von den sechs anderen Schächten schön aufgezeichnet. Zack zack zack, nicht einer existiert mehr, alle dicht gemacht, platt gemacht. Und jetzt ist das im Prinzip so weit beendet. Wir haben noch einige Ecken, wo noch ein paar Vitrinen leer stehen, da wissen wir noch nicht so richtig, was wir dort reinbringen. Aber da passiert sowas wie, dass gerade wieder ein Kollege hier vorbeikam, der hatte bei uns im Werk gelernt und uns die ganzen Hefte und Ergebnisse gezeigt. Und er sagte, ich hab noch was da, und bring Euch das. Er ist mittlerweile auch schon knapp über 80 und hat mir die Sachen gebracht, und dann haben wir gleich 'ne Vitrine dafür aufgebaut. Inzwischen kommen so 500, 600 Besucher im Jahr. Es kommen auch viele Schulklassen her. Deswegen haben wir auch viele Bildsachen, was sichtbar ist. Nur Prospekte hinlegen oder was, da können Kinder nichts mit anfangen.
Was bleibt? Alle, die hier mitgekämpft haben, die haben für 'ne redliche, gute Sache gekämpft. Selbst, wenn wir den Arbeitskampf verloren haben. Da braucht man nicht drum herum zu reden, unser Ziel haben wir nicht erreicht. Aber wir brauchen uns auch nicht zu sagen, wir hätten nicht alles versucht. Wenn gerade hier in Ostdeutschland damals mehr Leute ähnlich reagiert hätten wie wir, wär' das so nicht gekommen! Aber nein, keiner wollte vorweg gehen, weil er Angst hatte, er kriegt gleich die Kündigung und so weiter. Ich hab' immer gesagt, ich hab ein dickes Fell, was solls, ich bin's gewohnt, Dresche einzustecken. Und nachher hat man gesagt, eigentlich haben wir ja Achtung für dich. Ich bin in den ganzen 20 Jahren nicht einmal dumm angemacht worden. Die grüßen alle, selbst in meinem Dorf, wo die Leute eigentlich mehrheitlich CDU wählen. Sie sagen, eigentlich hätte ich Recht gehabt, und jeder andere hätte es wahrscheinlich auch nicht anders gemacht.
Ich bin der Meinung, das hat hier funktioniert, weil wir jeden Tag die Kollegen informiert haben über das, was wir machen. Die waren nie im Ungewissen, also etwa: die Linken machen irgendwas, was wir nicht wollen, sondern wir haben denen immer gesagt, was war. Aber was der Hauptgrund war: Hier hat jeder empfunden, wir werden hier nicht geschlossen, weil wir keine Chance haben, weil wir keinen Wettbewerb wollen. Wir werden geschlossen, weil der Westen einfach hier den Osten platt macht, um's mal so zu sagen. Das war die Botschaft. Und das hat den Zusammenhalt hier gebracht. Und deswegen haben 80, 90% hier gesagt, wir ziehen das durch.